Die Sonnenblume

Die Sonnenblume
Die Sonnenblume

 

Die Sonnenblume, Simon Wiesenthal, Europa Verlag GmbH & Co. KG, Berlin München Wien, 2015

 

 

 

Bei diesem Buch handelt es sich um eine bedeutsame Auseinandersetzung mit dem Thema Vergebung. Es wurde von dem Holocaust-Überlebenden Simon Wiesenthal geschrieben. Das Buch beginnt mit einer Erzählung Wiesenthals: Er berichtet von einem jüdischen KZ-Häftling, der bei einem Arbeitseinsatz an das Krankenbett eines jungen SS-Offiziers gebeten wird. Der SS-Mann ist schwer verletzt, außerdem blind, und hat den Wunsch, sich bei einem Juden auszusprechen. Grund hierfür ist, dass er an einem grausamen Massaker an Juden teilgenommen hat und nicht mit den daraus resultierenden Schuldgefühlen fertig wird. Nachdem er sich bei dem jüdischen KZ-Häftling ausgesprochen hat, bittet er ihn um Vergebung für seine Untaten. Dieser geht jedoch wortlos fort.

 

Man darf mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich bei dem Ich-Erzähler um Simon Wiesenthal selbst handelt und bei der Erzählung um sein eigenes Erlebnis. Die Begebenheit hat ihn Zeit seines Lebens nicht mehr losgelassen; Simon Wiesenthal hat nach seiner Befreiung zahlreichen Menschen die Erzählung vorgelegt, mit der Bitte, ihre Meinung bezüglich der Vergebung zu äußern. All diese Zeugnisse sind in die vielen Ausgaben von „Die Sonnenblume“ eingegangen, die seither erschienen sind. Die meisten der befragten Personen sind sich darüber einig, dass Vergebung grundsätzlich möglich und notwendig ist und für denjenigen, der vergibt, etwas Erlösendes an sich hat. Weiter wird durch mehrere der Co-Autoren klar dargestellt, dass Vergebung meist keine einmalige Aktion ist, sondern dass es sich um einen Prozess handelt, der sich gegebenenfalls über einen langen Zeitraum hinziehen kann. Darüber hinaus sind sich die meisten der befragten Personen einig, dass Simon Wiesenthal in der beschriebenen Situation gar nicht für die Vergebung der Untaten des SS-Mannes verantwortlich gewesen war, zumal es sich bei den Opfern nicht um Verwandte oder Bekannte Wiesenthals gehandelt hat.

 

Trotzdem scheint sich Simon Wiesenthal wegen seines Nicht-Vergebens lebenslang mit Schuldgefühlen geplagt zu haben. Dabei waren es noble Taten von ihm, sich die Beichte des jungen Mannes überhaupt anzuhören, weiter, nach seiner Befreiung aus dem KZ sogar die Mutter des jungen Mannes aufzusuchen, und weiter, sich in der Nachkriegszeit mit der Verfolgung von ehemaligen Nazis zu befassen, die sonst womöglich ungestraft davon gekommen wären. Simon Wiesenthal hat sich also nichts vorzuwerfen; trotzdem können wir heute in gewisser Weise über seinen Gewissenskonflikt froh sein, da wir ihm dadurch dieses wertvolle und bereichernde Buch verdanken. Durch seine intensive Auseinandersetzung mit Vergebung hat Wiesenthal unzählige Menschen dazu angeregt, sich ebenfalls darüber Gedanken zu machen.