Schöpfer der Wirklichkeit

Schöpfer der Wirklichkeit
Schöpfer der Wirklichkeit

"Schöpfer der Wirklichkeit", Dr. Joe Dispenza, KOHA-Verlag GmbH Burgrain, 2015

 

In „Schöpfer der Wirklichkeit“ hat sich Joe Dispenza eines sehr spannenden Themas angenommen. Er vertritt die Theorie, dass jeder Mensch selbst für seine Gedanken verantwortlich ist. Niemand von uns ist darauf angewiesen, immer und immer wieder denselben negativen Denkmustern zu folgen. Es liegt ganz bei uns, diese negativen Denkgewohnheiten aufzubrechen und durch neue, positive Strukturen zu ersetzen. Auf diesem rein mentalen Weg kam es bei vielen Menschen, die unter vermeintlich unheilbaren Krankheiten litten, zu den erstaunlichsten Heilungserfolgen. So überzeugend, wie Dispenza diese bestechende Theorie präsentiert, glaubt man ihm sofort. Sein Buch hat etwas sehr Ermutigendes. Doch trotz dieser optimistischen Botschaft ist die Lektüre der knapp fünfhundert Seiten kein reines Vergnügen: Dispenza schreibt ungemein ausführlich. Die physiologische Grundlage, wie sich in unseren Gehirnen neue Nervenverbindungen bilden, wird genauestens dargestellt, was an sich hochinteressant ist. Die vom Autor ständig verwendeten Technik-Vergleiche sind jedoch auf die Dauer penetrant, ebenso wie seine zahlreichen Fallbeispiele. Natürlich will es Dispenza in seinem Bemühen, jeden Leser mitzunehmen, besonders gut machen, übertreibt dabei aber etwas. Dazu kommt, dass er sich selbst, seine persönlichen Erfahrungen bezüglich des Themas, sowie seine eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten, stark in den Vordergrund rückt. Dies ist zwar heutzutage weit verbreitet und gehört offenbar zur modernen Art, ein Sachbuch zu schreiben. Man kann es jedoch mit der Selbstdarstellung auch übertreiben. Die von Dispenza so gelobten Abbildungen im Buch sind ziemlich unübersichtlich. Schade auch, dass unser wichtigstes Denkorgan hier ständig als „Frontallappen“ bezeichnet wird. Ist der Gedanke, dass wir unsere besten Ideen in einem „Lappen“ entwickeln, nicht unästhetisch? Man hätte auch „Stirnhirn“, statt „Frontallappen“, schreiben können. Dispenza schneidet auch das in diesem Zusammenhang fast unvermeidbare Thema der Dualität von Körper und Geist an: Zunächst sagt er, dass Geist ausschließlich beim Denken in unseren Köpfen entsteht. Dann postuliert er jedoch, dass im Universum irgendetwas ist, was auf unsere Gedanken antwortet, seien sie nun positiv oder negativ, was dann zu entsprechenden Ereignissen in unserem Leben führt. Auch Dispenza kann also dieses uralte philosophische Problem, was, und wo, Geist denn nun eigentlich ist, nicht lösen. Der Autor behauptet zudem, gleich an mehreren Stellen, dass individuell erworbene Eigenschaften auf geheimnisvolle Weise in das Erbgut übergehen und so direkt an die Nachkommen weitergegeben werden können. Dieser Gedanke scheint mir rein spekulativ; es fehlen auch die Belege. Nicht zuletzt fällt die lieblose Übersetzung des Buches auf. So spannend Joe Dispenzas Idee auch sein mag, dem Leben, allein durch positive Gedanken, eine Wende zum Besseren zu geben: Er hat sie nicht besonders vorteilhaft aufbereitet.